Das druckgrafische Werk von Fred Sandback beginnt, wie viele Blätter anderer Künstler in der Zeit um 1970, mit Gelegenheitsgrafik. In erster Linie geht es um die Vervielfältigung einer Zeichnung, um die Herstellung eines grafischen Images. So sind die ersten beiden Blätter (die jeweils zweifarbigen Siebdrucke von 1970 bzw. 1971/72) aufgrund von Aufträgen entstanden, sicherlich ohne besonderes Augenmerk für druckgrafische Bedingungen. Der Siebdruck als einfache Möglichkeit, eine Zeichnung mittels fotomechanischer Verfahren auf ein Sieb zu übertragen, war hier die geeignete Technik. Für die Mappe „Acht Variationen für die Galerie Heiner Friedrich“ (1971–73), ebenfalls im Siebdruck realisiert, wurden hingegen weiterreichende Überlegungen angestellt. Die harte, scharf umgrenzte Linie, die der Siebdruck hervorbringt, entspricht der Linie von Sandbacks Skulptur jener Zeit, der Linie straff gespannter, mit weißer bzw. schwarzer Acrylfarbe eingefärbter Gummischnüre. So ist die Technik diesmal bewusst als ideale Darstellungsform des Motivs gewählt.
In den Jahren von 1972 bis 1975 hat sich das plastische Werk von Fred Sandback in verschiedener Hinsicht stark verändert. Die Linie, bisher mit Stahldraht und gespannten Gummischnüren scharf gezeichnet, fast immer auch eine Figur umreißend, wurden weicher, das Umrisshafte der Skulptur wurde aufgegeben. Neue Ansätze realisierte Sandback hauptsächlich mit Acrylwolle. Die Linien bestehen nun zumeist aus mehreren Fäden, die durch leichte Drehung voluminös, aber durchlässig und an den Rändern aufgelöst (ausgefranst) erscheinen. Auch in Sandbacks Handzeichnungen vollzieht sich ein ähnlicher Prozess. Während frühere Blätter hauptsächlich mit Filzstift gezeichnet sind, überhaupt das zeichnerische Werk keinen allzugroßen Umfang hatte, entstanden ab der besagten Zeit umfangreiche Gruppen von Bleistift- und Pastellzeichnungen.
Ihr wesentliches Merkmal: breitere, „unschärfere“ Linien und Pastelltöne von warmer, gedeckter Farbigkeit. Aus dieser Entwicklung versteht sich Sandbacks Interesse an den klassischen grafischen Techniken, vor allem am Steindruck, der als große Möglichkeit erschien, diese Veränderungen in Skulptur und Handzeichnungen auch grafisch adäquat umzusetzen. 1975 hatte Fred Sandback zum ersten Mal die Gelegenheit, unter der Anleitung von Karl Imhof in München einige Radierplatten und vier Lithosteine zu bearbeiten. Obwohl die Radierungen ohne Vorzeichnungen in die beschichteten Platten geritzt wurden, zeigen die Skizzenhaftigkeit der Zeichnungen und die Wahl des kleinen Formats der ersten vier Platten die Scheu, mit der sich der Künstler an diesen durch eine reiche Tradition belastete Technik herantastete. Die ersten Probedrucke lösten dann allerdings so große Begeisterung aus, dass gleich anschließend drei große Platten entstanden, die entschlossen und selbstsicher zentrale Motive aufnehmen. Auf die vier Lithosteine zeichnete Sandback ohne Zögern und mit einem enormen Gefühl für diese komplizierte Technik. Die Lithografie ist „seine Technik“ geblieben, eine Technik, die er im Laufe der Zeit weiterentwickelt und im Wesentlichen erweitert hat.
Lithografie – so, wie Sandback sie von Anfang an handhabte, stellt natürlich die Frage nach der Farbe, jene Frage also, die seinerseits ins Zentrum der künstlerischen Überlegung Sandbacks gerückt war. Es galt zu untersuchen, ob die Farbe, die mit einer Figur im Raum existiert, für die gleiche Figur auch in ihrer zweidimensionalen Darstellung geeignet ist. Ferner war zu untersuchen, welchen Sinn die Zeichnung, und zwar die von der Arbeitsskizze losgelöste „selbstständige Zeichnung“, ergibt, welche Bedingungen sie haben soll. Die isometrischen Zeichnungen waren immer auch Untersuchungen zu möglichen Skulpturen oder Aufzeichnungen von realisierten Arbeiten. Nun gab es auf einmal diesen neuen Typus von Linien – die ohne räumliches Skelett, nur im Rahmen eines gewählten Formats existierenden Linien. Und auch hierfür gibt es noch Entsprechungen im plastischen Werks Sandbacks. Die Skulpturen wurden nämlich immer ausschließlicher die Motive der Zeichnungen, wobei das Motiv häufig gar nicht tatsächlich existierte, also nicht „gebaut“ war. Somit war klar, dass eine Figur ihre Farbe hat, gelegentlich auch ihre verschiedenen möglichen Farben. Diese grundsätzliche Entscheidung zur Farbe bildet den Rahmen für die freistehenden Linien. Darüber hinaus gibt es natürlich einen Typus von Grafik, der keine formale Entsprechung mehr in der Zeichnung hat, der lediglich noch das gemeinsame Motiv aufweist: die Linolschnitte, Holzstiche und Umkehrlithos, also alle Arbeiten mit negativ zeichnenden Linien, sind so wesentliche Ergebnisse ihrer technischen Bedingungen, sind Ansichten der Motive, wie sie nur in dieser jeweiligen Technik zu realisieren sind.
Folgt man der Entwicklung von Fred Sandbacks Druckgrafik, so wird ersichtlich, wie die Liebe zu den grafischen Techniken, das Abenteuer, diese Technik zu erweitern, das Selber-Hand-Anlegen (wie in den kleinformatigen Kaltnadelarbeiten und den Linolschnitten) das Werk weitertreiben und differenzieren. Was als Spaziergang begann entwickelte sich zu einer Abenteuerreise, die vertrautes Gebiet verwandelt hat. Das druckgrafische Werk von Fred Sandback ist im Kontext der amerikanischen Kunst nach der Pop-Ära in seiner Vielfalt als einzigartig anzusehen.
Text von Fred Jahn, Auszug aus: Fred Sandback. Werkverzeichnis der Druckgraphik 1970–1986, München 1987, S. 7–9
Vita
1943
Fred Sandback wird am 29. August in Bronxville, New York, geboren
1962—1966
Studium der Philosophie an der Yale University
1966—1969
Bildhauereistudium an der Yale School of Art and Architecture
1968
Erste Einzelausstellungen in der Galerie Konrad Fischer, Düsseldorf, und in der Galerie Heiner Friedrich, München
1981
Auf Initiative der Dia Art Foundation, Gründung des Fred Sandback-Museums in Winchedon, Massachusetts (bis 1996 geöffnet)
2003
Fred Sandback stirbt am 23. Juni in New York
Selected Solo Shows
2019
Julius Heinemann. Fred Sandback – Livie Fine Art, Zürich
2018
Fred Sandback. The Properties of Light (Inside and Outside) – Proyectos Monclova, Mexico City
2017
Fred Sandback. A Sampling of Works – Plug In Institute of Contemporary Art, Winnipeg, Kanada
2016
Fred Sandback. Vertical Constructions – David Zwirner, New York (Kat.)
2015
Fred Sandback and Annemarie Verna Galerie. A Collaboration 1971–2003 – Annemarie Verna Galerie, Zürich
Fred Sandback. 64 Three-part Pieces – Pulitzer Arts, St. Louis
Fred Sandback. Light, Space, Facts – Glenstone, Potomac, USA (Kat.)
2014
Fred Sandback. Drawings – Kunstmuseum Winterthur, Winterthur; Josef Albers Museum, Bottrop; Museum Wiesbaden, Wiesbaden (Kat.)
2013
Fred Sandback – David Zwirner, London
Fred Sandback – Akira Ikeda Gallery, Tokio
Fred Sandback. Sculptures for Corners and Related Drawings – Barbara Krakow Gallery, Boston
2012
Fred Sandback. Corner Constructions – Annemarie Verna Galerie, Zürich
Fred Sandback. Zeichnungen und Graphik – Galerie Fred Jahn, München
Fred Sandback. Decades, Works 1969–2000 – David Zwirner, New York (Kat.)
2011
Fred Sandback. Porin taidemuseo – Pori Art Museum, Pori, Finnland
Fred Sandback – Whitechapel Art Gallery, London
Fred Sandback – Museum of Contemporary Art, Denver, Colorado (Kat.)
2009
Fred Sandback – David Zwirner, New York (Kat.)
Fred Sandback. Skulpturen, Zeichnungen, Druckgraphik – Galerie Jürgen Becker, Hamburg
Fred Sandback – Rhona Hoffman Gallery, Chicago
2008
Fred Sandback. Zeichnungen und ausgewählte Druckgraphik – Galerie Fred Jahn, München
Fred Sandback. Zeichnungen und Projekte, 1966–1990 – Metropol Kunstraum, München (Kat.)
2007
Fred Sandback. Sculpture and Drawings – Rhona Hoffman Gallery, Chicago
Fred Sandback. Frühe Skulpturen – Metropol Kunstraum, München (Kat.)
Fred Sandback. Sculptures and Drawings – Annemarie Verna Galerie, Zürich
Fred Sandback. Druckgrafik und Zeichnungen – Wolfram Voelcker Fine Art, Berlin
Fred Sandback – Musée de Grenoble, Grenoble
2006
Fred Sandback. Druckgraphik und Zeichnungen – Galerie Fred Jahn, München
Fred Sandback. Early Work – Zwirner & Wirth, New York (Kat.)
Fred Sandback. Large Scale Sculpture – David Zwirner, New York (Kat.)
2005
Fred Sandback. Zeichnungen der 60er, 70er und 80er Jahre – Galerie Völcker & Freunde, Berlin
Fred Sandback. Drawings / Zeichnungen 1968–2000 – Annemarie Verna Galerie, Zürich (Kat.)
Fred Sandback – Kettle’s Yard, Cambridge, England (Kat.)
Fred Sandback – Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz; Fruitmarket Gallery, Edinburgh; Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz (Kat. und Broschüre)
2004
Fred Sandback. Zeichnungen und Druckgraphik – Galerie Fred Jahn, München
Fred Sandback. Skulpturen, Zeichnungen, Druckgraphik, Portfolios 1968–1994 – Galerie Jürgen Becker, Hamburg
Fred Sandback. Sculpture – Galerie Meert Rihoux, Brüssel
2003
Dia:Beacon, New York
Fred Sandback. 1943–2003 – Annemarie Verna Galerie, Zürich (Kat.)
Fred Sandback. Three Sculptural Studies for the Pinakothek der Moderne – Pinakothek der Moderne, München
2002
Fred Sandback. Escultura – Museo Tamayo, Mexiko Stadt (Kat.)
2001
Fred Sandback. Sculpture – Chinati Foundation, Marfa, Texas
2000
Fred Sandback – Annemarie Verna Galerie, Zürich
1999
Here and Now. Fred Sandback – Henry Moore Institute, Leeds, England (Broschüre)
1998
Fred Sandback. Installation und neue Zeichnungen – Galerie Fred Jahn, München
1997
Fred Sandback – Bregenzer Kunstverein, Palais Thurn und Taxis, Bregenz (Kat.)
Fred Sandback – Galerie Hubert Winter, Berlin
1996
Fred Sandback – Forum for Contemporary Art, St. Louis, Missouri
Fred Sandback. Sculpture – Dia Center for the Arts, New York (Broschüre)
Fred Sandback – Annemarie Verna Galerie, Zürich
1994
Fred Sandback. Münchner Projekte, Zeichnungen, 1968–1975 – Galerie Fred Jahn, München
1992
Fred Sandback. Zeichnungen und Pastelle – Galerie Fred Jahn, Stuttgart
1991
Fred Sandback. Sculptures, 1968 – Annemarie Verna Galerie, Zürich
Fred Sandback – Magasin 3, Stockholm Konsthall, Stockholm (Kat.)
Fred Sandback. Skulpturen, Zeichnungen, Druckgraphik – Galerie Jürgen Becker, Hamburg
1990
Fred Sandback – Galleria Primo Piano, Rom
Fred Sandback. Seven-part Vertical Construction – Lawrence Markey Gallery, New York
Fred Sandback. ‚Shadowrooms‘. Pastelle und Pochoirs – Galerie Jahn und Fusban, München
Fred Sandback. Sculpture and Drawing – David Nolan Gallery, New York
Fred Sandback. Drawings – Victoria Miro Gallery, London
1989
Fred Sandback. Sculpture – Contemporary Arts Museum, Houston (Kat.)
Fred Sandback. Sculpture – Yale University Art Gallery, New Haven, Connecticut (Kat.)
1988
Fred Sandback – Liliane & Michel Durand-Dessert, Paris
Fred Sandback – Dia Art Foundation, New York
Fred Sandback. Zeichnungen 1965–1987 – Galerie Fred Jahn, München
Fred Sandback – Annemarie Verna Galerie, Zürich
1987
Fred Sandback. Die gesamte Grafik – Städtisches Museum, Schloss Morsbroich, Leverkusen (Kat.)
Fred Sandback. Diagonal Constructions /Broken Lines. Skulpturen und Zeichnungen – Kestner-Gesellschaft, Hannover (Kat.)
Fred Sandback. Vertical Constructions – Westfälischer Kunstverein, Münster (Kat.)
Fred Sandback. New Work and Work from 1967. Sculpture, Prints, and Drawings – Fred Sandback Museum, Winchendon, Massachusetts
1986
Fred Sandback. Sculpture 1966–1986 – Städtische Kunsthalle, Mannheim (Kat.)
Fred Sandback – Annemarie Verna Galerie, Zürich
Fred Sandback. Installation mit neuen Skulpturen. Neue Zeichnungen und Aquarelle. Galerie Fred Jahn, München
1985
The Art of Fred Sandback. A Survey – Krannert Art Museum, University of Illinois, Champaign-Urbana (Kat.)
Fred Sandback. Skulpturen, Installationen, Zeichnungen – Kunsthaus Zürich, Zürich (Kat.)
Fred Sandback – Liliane & Michel Durand-Dessert, Paris
1984
Fred Sandback – Le Consortium, Dijon
1983
Fred Sandback. Six Constructions from 1967 and Recent Graphic Works – Marian Goodman Gallery, New York
Fred Sandback. New Graphic Work and a Continuing Exhibition of Sculpture from 1967–1981 – Fred Sandback Museum, Winchendon, Massachusetts
Fred Sandback. 22 Photostats – Galerie Fred Jahn, München
1981
Fred Sandback. Sculpture – Annemarie Verna Galerie, Zürich
Fred Sandback – Liliane & Michel Durand-Dessert, Paris
Fred Sandback – Fred Sandback Museum, Winchendon, Massachusetts (Kat.)
1978
Fred Sandback. New Works – Heiner Friedrich, Inc., New York
Fred Sandback. Neue Arbeiten – Galerie Heiner Friedrich, Köln
Fred Sandback. Seven Constructions from 1977 – Institute for Art and Urban Resources, P.S. 1, Long Island City, New York
Projects. Fred Sandback – Museum of Modern Art, New York
1977
Fred Sandback. Skulpturen und Druckgraphik 1976 und 1977 – Edition der Galerie Heiner Friedrich, München
1976
Fred Sandback – Heiner Friedrich, Inc., New York
Fred Sandback. Sculpture and Prints – John Weber Gallery and Brooke Alexander, Inc., New York
Fred Sandback – Annemarie Verna Galerie, Zürich
1975
Fred Sandback – Hessisches Landesmuseum, Darmstadt
Fred Sandback. Installationen – Kunstraum, München (Kat.)
Fred Sandback Neue Grafik (Zeichnungen, Linolschnitte, Radierungen, Lithographien.) –Edition der Galerie Heiner Friedrich, München (Kat.)
1974
Fred Sandback. Grafik, Zeichnungen – Städtisches Museum, Schloss Morsbroich, Leverkusen (Broschüre)
Fred Sandback. Sixteen Two-part Pieces – John Weber Gallery, New York
Fred Sandback – Galleria Milano, Mailand (Kat.)
Fred Sandback. Einraumausstellung – Museum Folkwang, Essen (Kat.)
1973
Fred Sandback. Zwei vertikale Installationen – Kunsthalle Bern, Bern (Künstlerbuch)
Fred Sandback – Galerie nächst St. Stephan, Wien (Künstlerbuch)
Fred Sandback – Galerie im Taxispalais, Innsbruck (Künstlerbuch)
Fred Sandback – Galerie Heiner Friedrich, München (Künstlerbuch)
1972
Fred Sandback – John Weber Gallery, New York
1971
Fred Sandback – Galerie Heiner Friedrich, München
Fred Sandback – Galerie Reckermann, Köln
Fred Sandback. Installations. Zeichnungen – Annemarie Verna Galerie, Zürich
1970
Fred Sandback – Dwan Gallery, New York
Fred Sandback – Galleria Françoise Lambert, Mailand
Fred Sandback – Galerie Yvon Lambert, Paris
Fred Sandback – Galerie Heiner Friedrich, München
1969
Fred Sandback. Five Situations. Eight Separate Pieces – Dwan Gallery, New York
Fred Sandback – Ace Gallery, Los Angeles
Fred Sandback. Installations – Museum Haus Lange, Krefeld (Kat.)
1968
Fred Sandback. Plastische Konstruktionen – Konrad Fischer Galerie, Düsseldorf
Fred Sandback – Galerie Heiner Friedrich, München