

Collage, Ölkreide, Bleistift
18 x 24 cm
Eröffnung am Donnerstag, 26. Juni, 18–21 Uhr
»Kontemplation wäre die richtigere Bezeichnung des Zustandes, in dem ich mich befinde und den ich gleichzeitig betreibe. Collagen sind nicht nur gemachte Bilder, sondern vor allem betrachtete Bilder: Fetzen als Bilder angesehen, Stücke, meist Luststücke, auf einer Pappbühne. Fetzen, die ›die Welt bedeuten‹.« (Karl Bohrmann)
»In den Collagen mit farbigen Papieren setze ich die Farbe als Realität ein, wie bei den Fotocollagen das Foto. Die Farbe soll abrupt als Farbe gesehen, die Zeichnung als Zeichnung, und erst im nachhinein, erinnernd miteinander verbunden werden.« (Karl Bohrmann)
Die Ausstellung präsentiert eine Auswahl größtenteils bisher noch nicht ausgestellter Collagen aus dem Nachlass von Karl Bohrmann (1928–1998). Es sind Motive des Alltags, die der Künstler mit betonter Beiläufigkeit und zugleich großer Virtuosität einfängt. Neben Malerei, Graphik und Fotografie beeindruckt sein in 50 Jahren entstandenes Œuvre durch ein umfassendes zeichnerisches Werk. Seine Figuren, Landschaften und Stillleben, die zwischen Abstraktion und Figuration oszillieren, zeugen nicht nur von einer Unmittelbarkeit, sondern entfalten gerade in ihrer reduzierten, unprätentiösen Darstellung eine maximale Wirkungskraft. Immer wieder spielt die Auslotung von Räumlichkeit – vom Innen bis zum Außenraum – eine zentrale Rolle. Dabei avanciert die Linie selbst zum Akteur; sie tritt mit teils homogen ruhigen, teils energetisch-vibranten Flächen in einen spannungsreichen Dialog. Bohrmann hat einen vielschichtigen Bilderkosmos geschaffen, der das Einfache mit dem Poetischen, das Ephemere mit dem Beständigen und das Stille mit dem Spontanen verbindet.
»Ein zufällig vorhandener Papierfetzen scheint sehr oft die bildnerische Phantasie von Bohrmann in Gang gesetzt zu haben. Ihm konnten weitere farbige Papiere antworten, aber auch farbige Kreiden, Tuschestriche, Aquarell, Öl oder Graphitstift. Gestalt und Farbe des aufgeklebten Papiers waren maßgeblich in den Schaffensprozess involviert. An diesem hatte außerdem das Spielerische im weitesten Sinne seinen Anteil. Die Ergebnisse allerdings bewegen sich ikonographisch in einem überschaubaren Rahmen: Haus, Landschaft, Segelboot, Stillleben. Aber immer wieder bringen bestimmte Details wie eine Fahne, eine Lampe, eine Flasche und Ähnliches eine überraschende Wendung. Plötzlich verschiebt sich die Räumlichkeit, es gibt einen unerwarteten inhaltlichen Akzent, die Gewichte innerhalb der Komposition werden modifiziert. Aufgrund dieser Eigenart seiner Arbeit, dem Zufall und Spieltrieb nicht nur einen Anteil an seinem Schaffen zu gönnen, sondern sogar anzubieten, unterscheiden sich seine Collagen grundlegend von denen der klassischen Avantgarde. Nirgendwo stellt sich der Eindruck des Gesplitterten, Zerschnittenen, ja Aggressiven ein, der seit den Collagen der Kubisten sehr oft ein Kennzeichen dieser Technik war. […] Bohrmanns Collagen sind mit denen von Nicolas de Staël, Robert Motherwell und Ellsworth Kelly vergleichbar hinsichtlich der Gelassenheit, mit der die Kompositionen entstanden. Auch bei ihm wirkt das Material bei der Entstehung der Komposition mit, aber er lässt es nicht bei abstrakten Formenkonstellationen bewenden, sondern setzt seine spielerische ikonographische Phantasie in Gang, um die erwähnten Motive hervorzuzaubern. Er lauscht auf die Botschaften seines Materials, um zu einer ikonographischen Interpretation zu gelangen. Es scheint deshalb wie logisch, daß auch Brieffragmente oder -umschläge Verwendung fanden, die schon einmal der Übermittlung von Botschaften dienten. […] Natürlich lässt sich nicht mehr klären, ob Bohrmann bei der Arbeit an bestimmte Adressaten dachte, und angesichts der einfachen Motive ist dies auch nicht zentral. Wichtig ist vielmehr, dass seine Arbeiten jenseits des Charakters, den jedes Kunstwerk hat, nämlich für den Blick eines anderen bestimmt zu sein, eine Intimität ausstrahlen, wie sie nur Briefen eigen ist. An dieser Stelle lässt sich erneut auf die glücklichen Augenblicke verweisen, in denen die Collagen geschaffen wurden. Der Künstler sendet Botschaften aus einem Bezirk der Welt, der unscheinbar und doch voller Poesie ist. Dieser Eindruck ist nicht nur durch die Zartheit der verwendeten Elemente begründet, sondern durch die traumwandlerische Sicherheit, mit der die zuerst heterogenen Elemente der Kompositionen in eine Balance gebracht werden. Manchmal scheint es, als ob Bohrmann die Herausforderung gesucht hätte, auch ein zuerst scheinbar unbrauchbares Stück Papier so lange zu erkunden, bis eine Harmonie entstand, die niemals zu schnell versöhnlich gestaltet wurde. Wesentlich ist hierfür ein unfehlbares Gefühl für Räumlichkeit, welche durch die Farben erzeugt wird, die oft als ›leere‹ Flächen in der Komposition wirken, in Wirklichkeit aber Energie enthalten, die den anderen Elementen ihr Leben einhauchen. […] Lob der Langsamkeit – der dies kann als ein Grundprinzip der Kunst von Bohrmann bezeichnet werden. Zu dieser Haltung gehört jedoch nicht nur die Ruhe und Gelassenheit, die das fertige Werk vermittelt, sondern vor allem auch die Geduld beim Entstehen der Werke, die keinen Zwang erkennen lassen.« (Siegfried Gohr)
Karl Bohrmann (Mannheim 1928–1998 Köln), 1947–48 Studium an der Schule für Kunst und Handwerk Saarbrücken, 1948–49 Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart bei Willi Baumeister. Stipendien und Preise: 1952-54 Stipendium des Landes Rheinland-Pfalz; 1958 Pfalzpreis; 1962 Förderpreis Rheinland-Pfalz; 1964 Premio Lugano; 1969 Deutscher Preis der Mostra Biennale Internazionale Della Grafica, Florenz; 1976 Kunstpreis Rheinland-Pfalz; 1982 Preis der Villa Romana, Florenz; 1984 Ehrengast in der Villa Massimo, Rom; 1987 Kunstpreis der Künstler, Düsseldorf. Von 1959 bis 1972 lebt er in München und von 1972 bis 1980 in Amsterdam und Frankfurt am Main, wo er als Lehrer an der Städelschule (Staatliche Hochschule für Bildende Künste) und Leiter der Städel-Abendschule tätig ist. Ab 1980 lebt er bis zu seinem Tod in Amsterdam und Köln. Werke des Künstlers befinden sich in bedeutenden Sammlungen, die von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München bis hin zum Museum of Modern Art in New York reichen.
Ausgewählte Einzelausstellungen: 2025 Kunstparterre, München; 2024 Kunstraum21, Krefeld; 2019 Jahn und Jahn, München; 2018 Richard Haizmann Museum Niebüll. Museum für moderne Kunst, Niebüll; 2017 Galerie Friese, Berlin; 2016 Akademie der Schönen Künste, München; 2013 Kulturverein Zehntscheuer, Rottenburg am Neckar; 2013 Galerie Friese, Stuttgart; 2012 Galerie Rhomberg, Innsbruck; 2012 Galerie Fred Jahn, München; 2012 Schönewald Fine Arts, Düsseldorf; 2011 Wolfram Völcker Fine Art, Berlin; 2010 Galerie Mike Karstens, Münster; 2008 Galerie Fred Jahn, München; 2007 Staatliche Graphische Sammlung, Pinakothek der Moderne, München; 2006 Altana Kulturforum, Sinclair-Haus, Bad Homburg v. d. Höhe; 2002 Kunstverein Eislingen, 1998 Frankfurter Kunstverein, Frankfurt a M.; 1997 Museum der Stadt Ratingen; 1997 Stiftung Museum Schloss Moyland, Sammlung van der Grinten, Joseph Beuys Archiv des Landes Nordrhein-Westfalen, Bedburg-Hau; 1997 Staatliche Graphische Sammlung, Neue Pinakothek, München; 1997 Museum Pfalzgalerie, Kaiserslautern; 1992 Van Reekum Museum, Apeldoorn; 1991 Mannheimer Kunstverein; 1988 Mittelrheinisches Landesmuseum, Mainz; 1988 Kunstverein Ludwigshafen; 1988 Kunstverein Freiburg; 1987 Städtische Galerie Lüdenscheid; 1986 Niederrheinischer Kunstverein, Wesel; 1985 Grafiek Centrum, Haarlem; 1981 Kunstverein Ingolstadt; 1981 Städtische Galerie Erlangen; 1980 Städtische Galerie im Lenbachhaus, München; 1973 Landesmuseum Oldenburg, usw.