Die Bilder von Norbert Schwontkowski (1949 Bremen, † 2013 ebd.) sind visuelle Phänomene. Sie machen den/die Betrachterin glauben, er/sie erkenne das Sujet und wüsste, worum hier verhandelt wird. Dazu trägt die weder mit Pathos noch mit Schwere vorgetragene Malweise bei, die jede seiner Bildideen spielerisch leicht und mit beinahe heiterer Ironie in eine bildhafte Existenz umsetzt. Doch tatsächlich tritt schon im nächsten Moment eine starke Irritation der eigenen Wahrnehmung ein und das sicher gesehen Geglaubte verkehrt sich in eine Skepsis, die spätestens beim Lesen des Titels übermächtig wird – denn die Bildtitel sind ein ganz wichtiger Bestandteil seiner Bildsprache, da sie immer auf etwas außerhalb des Bildmotivs Liegendes verweisen und weitere Bedeutungsebenen implizieren.
Die Bilder erzählen Geschichten alltäglicher Beobachtungen und Situationen, die der Künstler in Skizzenbücher gesammelt hat und über lange Zeit auf ihre Bildtauglichkeit hin überprüft. Er spürt die liebenswerten, oft humoristischen Alltäglichkeiten des Lebens auf und bringt sie zur Darstellung. Dabei betreibt er mit seiner Bildsprache einen Perspektivwechsel in der Hierarchie der Motive, wodurch – zusammen mit den gegenläufigen Titeln – die Komik im Bild freigesetzt wird. Die Bildfindungen sind Ergebnisse eines Prozesses, den Schwontkowski selbst mit einer Dunkelkammer vergleicht, in der sich die Bildgedanken beim Betrachten und Reflektieren der Skizzenbücher entwickeln. So entsteht ein Repertoire an Bildideen und Wortschöpfungen, mit dessen Möglichkeiten er so lange hin und her spielt, bis die Verdichtung – als Gegenwurf zum Verfall – von Wort und Bild erreicht ist. Aus der Verdichtung entsteht Schönheit, die Symbolik kann dabei ein- oder mehrdeutig sein.
Die Analogie zur Fotografie, die für Schwontkowski nicht nur in der medialen Übereinstimmung als Darstellungsform von Erinnerung existiert, manifestiert sich auch in seiner malerischen Behandlung des Bildaufbaus. Die Malgründe führen aufgrund ihrer Beschaffenheit aus verschiedensten Farben und Chemikalien ein Eigenleben, sie reagieren auf- und miteinander, so dass der gesamte Malprozess Veränderungen unterworfen ist. „Phänomene unbestimmbarer Art“ – so bezeichnet Schwontkowski gemalte Bilder. Er lässt aus vielschichtigen Farbaufträgen Figuren oder Szenen erscheinen, die nicht verortet werden können, weil keine perspektivischen oder sonst wie gearteten Vorgaben für den Bildraum existieren. Es sind Erinnerungen, Augenblicke oder spontane Eingebungen, die Schwontkowski in seinen Bildern festhält. Er malt seine Wahrnehmung der Wirklichkeit und bietet dem/der Betrachter*in die Möglichkeit, an der Erkenntnis, die dem szenischen Verstehen entspringt, teilzuhaben. „Das ist ja mein großes Thema: Ich habe als Künstler keine richtige Baustelle, ich beschäftige mich mit nichts Konkretem. Ich habe nur dieses eine, allermenschlichste Thema, Leben und Tod – aber eben konzentriert auf den wesentlichen Punkt. Das ist mir Geschichte genug.“
Der Schwerpunkt der aktuellen Ausstellung in der Galerie Jahn und Jahn, München, liegt auf den Zeichnungen, die im Werk Schwontkowskis gleichberechtig neben den ebenfalls hier gezeigten Bildern stehen. Verhandelt wird hier die Formulierung eines Sinnbilds für die eigene Existenz mit malerischen wie zeichnerischen Mitteln, nicht mehr und nicht weniger, und die unpathetische Darstellung des Menschen in seiner Welt bearbeitet Schwontkowski mit großer Ernsthaftigkeit. Seine Malerei ist emotional tiefgründig, reflektiert und spielt, auch dies mehr oder weniger im Verborgenen, auf unterschiedliche künstlerische Traditionen an, vor allem aber auf die Poesie und den Sprachwitz der Surrealisten.