Munter, erotisch, grotesk: Die Werke auf Papier, die in der Ausstellung "Karel Appel – Tête en carton. Collagen 1960–1967" zu sehen sind, evozieren die unterschiedlichsten Assoziationen. Mit ihren expressiven Farben, der bewegten Linie und offenen Komposition ziehen die Collagen Appels die BetrachterInnen in ihren Bann und suggerieren ihnen, mitten im Geschehen zu sein. Im Kubismus als Stilmittel der Zerstückelung und Demontage eines zuvor unversehrten Ganzen salonfähig gemacht, erzeugen die Collagen hingegen bei Appel ein symbiotisches Ganzes – den Raum eines Gesichts, eines Körpers, einer Szene. Dabei verwischt der Künstler die Grenzen von Körper und Formen, hebt sie auf und führt sie in humorvoller Weise ad absurdum. Menschenähnliche Wesen mit Vogelschnäbeln oder knolligen Phallusnasen tummeln sich zwischen abstrahierten Formen und dionysischen Körperteilen. Zu Formhügeln aufgeschichtete Plakatfetzen werden von Farbknäule aus Kreide und Acryl begleitet; Zeitschriftenbilder von adretten Schulmädchen mischen sich mit denen junger Damen aus der Glitzerwelt der Werbung. Technisch setzt Appel seine Bildfindungen mittels zerrissener Wellpappe, Gouache, Acrylfarbe oder Stanniol-Papier um. In dieser betonten Zurschaustellung des Materials liegt nicht nur die haptische Freude beim Betrachten begründet. Vielmehr soll offenherzig nachempfunden werden, was und wie in körperlichem Einsatz geschaffen wurde. Appel „ist der Inbegriff eines Malers, der mit dem gesamten Körper arbeitet“. [1]
Als Mitbegründer der Künstlergruppe COBRA zählt Karel Appel (1921–2006) zu den herausragenden Künstlern der Niederlande und als einer der Erneuerer der Kunst nach 1945. Inspiriert war er einerseits durch primitive Kunst und Kinderzeichnungen, andererseits finden sich Einflüsse durch Zeitgenossen, wie Jean Dubuffet, dem Hauptvertreter der Art Brut. Obwohl Appel in erster Linie für seine Malerei bekannt ist, schuf er eine Vielzahl von Arbeiten auf Papier, Reliefs, Skulpturen und setzte sich intensiv mit Design auseinander.
Die Galerie Jahn und Jahn führt die Tradition der Galerie Fred Jahn, deren Fokus stets auf Werken auf Papier lag, fort. Auch dass mit dieser Ausstellung ein Medium beleuchtet wird, das in den bisherigen Appel-Präsentationen kaum im Fokus stand, darf hervorgehoben werden, denn es eröffnet die Möglichkeit, den weltbekannten Künstler neu zu entdecken.
Text: Felicitas Kirgis
[1] Ausst. Kat. Karel Appel. Works on Paper, Musée national d’art moderne, Centre Pompidou, Paris; Staatliche Graphische Sammlung München, Pinakothek der Moderne, München 2015, S. 11