Galerie Jahn und Jahn ist es eine besondere Freude, im Rahmen der internationalen Koproduktionen mit Max Hetzler und Lateral ArtSpace ihren programmatischen Diskurs zu erweitern und dabei den Blick vor allem auch in Richtung Osteuropa zu richten, das spannendende künstlerische Impulse gesetzt hat. Die von Galeriekünstler Ioan Grosu und den GastkünstlerInnen Lucian Indrei, Mirela Moscu und Navid Nuur gezeigten Werke kreisen um Begrifflichkeiten des Bildes, seine Prozesshaftigkeit sowie Wahrnehmung.
Ausgehend von der Frage, was ein Gemälde überhaupt auszeichnet, ergründet Navid Nuur (*1976 in Teheran, lebt und arbeitet in Den Haag) das Thema der Malerei unter diversen Gesichtspunkten. Mit seiner raumspezifischen Wandarbeit wirft er Fragen nach ihrer Materialität und Erlebbarkeit, ihren Konventionen und Grenzen auf. Nuur greift hierbei nicht auf das klassische Werkzeug des Malers zurück, sondern bedient sich farbiger Rauchpatronen, die scheinbar anarchisch und autonom ihr eigenes Bild kreieren. Künstler und Werk lösen sich förmlich in Rauch auf. Die Wahl des Werkzeugs, mit dem eine malerische Spur definiert wird, stellt gleichermaßen einen wichtigen Ansatzpunkt in der Serie "The Tuners" dar, für das sich Nuur von Schreibproben inspirieren ließ. So sammelte er weltweit in diversen Schreibwarengeschäften Zettel, auf denen Stifte und Kugelschreiber ausprobiert wurden. Die darauf festgehaltenen Kritzeleien offenbarten trotz kultureller Unterschiede überraschende Gemeinsamkeiten, unabhängig davon, ob sie in Den Haag oder Tokio entstanden sind. Anstelle einer individuellen Handschrift und Signatur, wie sie als Zeichen von Originalität für die Kunst entscheidend sind, manifestiert sich darin eine kollektive Ausdrucksform, die Nuur in seinen Malereien übersetzt.
Entstehungsprozesse und Aspekte der Bilderzeugung bestimmen auch die Arbeiten von Lucian Indrei (*1983 in Bistrița/Rumänien, lebt und arbeitet in Cluj). Seine raumspezifische Installation "Hole truth (hole in the wall)" erweist sich dabei als doppelbödig. Hinter der Fotografie, die eine eingerissene Wand zeigt, verbirgt sich im Maßstab eins zu eins das dargestellte Motiv. Anders als Joseph Kosuth, der in seinem Werk „One and Three Chairs“ (1965) einen Stuhl, die Abbildung dieses Stuhls und dessen Wortdefinition nebeneinander präsentiert, bleibt das Referenzobjekt bei Indrei verborgen. Ist das Konzept, die Repräsentation, entsprechend bedeutsamer, und kann der Vorzug der Projektion als programmatisch für unsere mediatisierte Gesellschaft betrachtet werden? Der Künstler verhandelt das Verhältnis von Bild und Abbild, Original und Kopie und spielt gleichzeitig mit der Vorstellung von Kunst als dekorativem Element. In seinen Arbeiten aus dem Werkkomplex "Semantic exorcism" abstrahiert Indrei bestehendes Bildmaterial, das er durch seine Intervention mit neuen Bedeutungen auflädt.
Techniken der Transformation sind gleichermaßen grundlegend für das Werk von Ioan Grosu (*1985 in Mediaș/Rumänien, lebt und arbeitet in München). Der Künstler changiert nicht nur zwischen verschiedenen Bildmedien, sondern schöpft seine Inspiration aus unterschiedlichen Quellen, die Alltagsgegenstände, Fundstücke und Elemente aus der Populärkultur ebenso beinhalten wie Referenzen an die Kunstgeschichte. Durch kontinuierliche Prozesse der Bearbeitung und Überlagerung nähert sich der ehemalige Meisterschüler von Günther Förg vielschichtigen Themen an, die er in Malereien und Collagen auslotet. Verfahren der Dekonstruktion und Übersetzung sind charakteristisch für den Bilderkosmos Grosus, der zu einem ständigen Suchen und Finden einlädt.
Eine magisch-rätselhafte Wirkung entfaltet auch das Werk von Mirela Moscu (*1986 in Rumänien, lebt und arbeitet in Cluj-Napoca). Ihre gestischen Malereien, die in ähnlicher Weise zwischen Abstraktion und Figuration oszillieren, zeugen dabei von großer Kraft und Vitalität. Bevorzugt in Serie bannt die Künstlerin ihre an rumänische Volksbräuche und Mythen angelehnten Motive aus ihrer Erinnerung beziehungsweise Fantasie auf den Malgrund. Menschliche Gestalten verschmelzen mit fließenden, floral anmutenden Formen zu sinnlichen Kompositionen. Ob rastlos oder ruhend: Die Figuren sind Teil ihrer Umgebung und setzen sich gleichzeitig durch gesetzte Leerstellen davon ab. Sogartig wird der Betrachtende in das künstlerische Universum Moscus gezogen, im dem sich kollektive Erinnerung und persönliche Identität, das Fantastische und Reale, überlagern.