Eine Parallelausstellung mit dem Metropol Kunstraum: "Barry Le Va. Zeichnen um zu denken"
„I think linearly. I think in perimeters and boundaries, in configurations and groundplans.“ Barry Le Va [1]
Geometrisch-abstrakte Elemente und Liniengefüge formieren sich in den Papierarbeiten Barry Le Vas zu bauplanartigen Strukturen. Der Künstler spielt mit unterschiedlichen Anordnungen, die er Prinzipien der Wiederholung und Varianz, der Addition und Fragmentierung, des Zufalls und Kalküls unterwirft. Zwar deuten die zwischen Strenge und Dynamik changierenden Kompositionen auf eine systematische Vorgehensweise hin; dennoch lässt sich der jeweilige Kontext keinesfalls eindeutig dechiffrieren. Für die in der Ausstellung präsentierten Farbholzschnitte "Sculptured Activities" (1987-1989) hat Le Va dieselben Druckblöcke in unterschiedlichen Arrangements und Farben verwendet, wodurch er einerseits das Potenzial inhaltlicher Veränderung ausschöpft und andererseits den Moment des Transitorischen und Prozesshaften unterstreicht. Wie die Zeichnungen und Collagen, sind auch die Graphiken Le Vas in einem kontinuierlichen Wechselverhältnis zur Skulptur zu begreifen, deren Begrifflichkeit er – mit allen seinen Widersprüchen, aber auch unerwarteten Möglichkeiten – seit den 1960er-Jahren in prozessorientierten Werken wie den "scatter pieces" bzw. "distributions" hinterfragt und neu definiert hat. Einer ganz eigenen Logik folgend, legt Le Va den Fokus auf unterschiedliche Kategorien: Raum, Material und Zeit sind dabei ebenso relevant wie Fragen der Form, Konfiguration oder Rezeption.
Zeichnungen haben von jeher einen hohen Stellenwert in seinem künstlerischen Schaffen, das von einem architektonischen und mathematischen Grundverständnis geprägt ist. Le Va bezeichnet diese als „plan-views“, als wichtigen Teil seines Denkprozesses: „A drawing is a layered map, constructed totally of parts, disconnected time sequences, processes and thoughts […].“ [2] Zeichnungen dienen keinesfalls nur der Vorbereitung und Entwicklung seiner installativen Konzepte; Le Va hebt die Eigenständigkeit des jeweiligen Mediums hervor und setzt dessen Besonderheit gezielt ein, um in seiner Auseinandersetzung mit der Skulptur neue Aspekte zu veranschaulichen – so auch bei seinen Collagen, von denen eine Auswahl in der aktuellen Ausstellung zu sehen ist. Die Collagen basieren auf verschiedenen Zustands- und Probedrucken einer Lithographie-Serie, bei der sich der Künstler nach anfänglichen Experimenten mit diversen Mal- und Zeichenutensilien – zugunsten der Unmittelbarkeit – schließlich auf Sprühfarbe konzentriert. Innovative Kombinationen und die Weiterbearbeitung der Graphiken in den Collagen ermöglichen es Le Va, neue Bildideen zu formulieren.
Nicht nur ist jedes der in der Ausstellung gezeigten Werke in München entstanden; Barry Le (1941 Long Beach – 2021 New York) hatte ab 1989 sogar temporär sein Studio in den Räumlichkeiten von Fred Jahn in der Baaderstraße und kehrte in den folgenden Jahren regelmäßig nach München zurück, wo er auch in der Druckerei von Karl Imhof tätig war. Mit Fred Jahn verband ihn seit ihrer ersten gemeinsamen Collagen-Ausstellung 1987 eine enge Zusammenarbeit. In der Galerie aufbewahrte Exponate afrikanischer Kunst inspirierten ihn Anfang der 1990er-Jahre unter anderem zu dem Zeichnungskomplex "Munich Diary. African Sketchbook", der von der Staatlichen Graphischen Sammlung, München, ausgestellt und angekauft wurde. Nach Le Vas erster Soloschau im Walker Art Center (1969) folgten drei documenta-Teilnahmen (1972, 1977, 1982) und zahlreiche Ausstellungen in bedeutenden Museen. Dia:Beacon, New York, widmete dem Künstler von 2019 bis 2021 eine große Einzelpräsentation mit Installationen aus den 1960er-Jahren. Werke Le Vas befinden sich in renommierten Sammlungen, darunter im Museum of Modern Art sowie im Whitney Museum of American Art, New York, Los Angeles County Museum of Art, Los Angeles, und Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien.
[1] Brouwer, Marianne (Hg.): Barry Le Va, Rijksmuseum Kröller-Müller, Otterlo 1988, S. 5.
[2] ebd. S. 7.