

























Ausstellungsansicht, Jahn und Jahn, München, 2023
Öl, Kohle, rote Kreide auf Leinwand
150 x 230 cm
Ausstellungsansicht, Jahn und Jahn, München, 2023
Ausstellungsansicht, Jahn und Jahn, München, 2023
Ausstellungsansicht, Jahn und Jahn, München, 2023
Ausstellungsansicht, Jahn und Jahn, München, 2023
Öl, Kohle, rote Kreide auf Leinwand
260 x 190 cm
Ausstellungsansicht, Jahn und Jahn, München, 2023
Öl, Kohle, rote Kreide auf Leinwand
150 x 150 cm
Ausstellungsansicht, Jahn und Jahn, München, 2023
Ausstellungsansicht, Jahn und Jahn, München, 2023
Öl, Kohle, rote Kreide auf Leinwand
80 x 60 cm
Ausstellungsansicht, Jahn und Jahn, München, 2023
Opening: Donnerstag, 13. Juli 2023, 18–21 Uhr
„Bauen Brauen Sauen“ ist der bitterböse Leitspruch Münchens aus Lion Feuchtwangers satirischem Roman „Erfolg“, der 1930 mit dem Untertitel „Drei Jahre Geschichte einer Provinz“ erschien. Darin entwarf der Autor ein literarisches Panoptikum von der Niedertracht reaktionärer Weltverbesserer und völkischer Demagogen der Münchener Gesellschaft in den späten 1920er Jahren. Alexi Tsioris nimmt sich der spöttisch von Lokalkolorit gefärbten Worte Feuchtwangers an, extrahiert den sprachlichen Ausdruck aus seinem ursprünglichen Kontext und lässt ihn weitergären im Saft der Handlungen und Vorgänge seines eigenen künstlerischen Tuns.
Beruhend auf der Zeichnung wohnt seinen malerischen und plastischen Werken sowie Papierarbeiten ein Brodeln inne. In ihnen rumort es und dieser inhärente Aufruhr äußert sich in pastosen Farb- und Formakkumulationen bis hin zu flattrigen Zeichenvokabeln. Anhäufung, Verdichtung und Zersetzung sind zentrale Prinzipien seiner künstlerischen Praxis. Einem unterschwelligen Steigerungsdruck folgend wiederholen sich Motive und Themen in variierter Form und reichern sich zu fugenartigen Kompositionen an. Das Prozesshafte spielt dabei eine besondere Rolle: Tsioris lässt Figuren entstehen, die weder geradlinig noch eindeutig sind. Physiognomien drängen sich seiner Bildsprache auf und driften gleichsam in die Unsichtbarkeit ab. So erklärt sich auch – trotz aller Zeichenhaftigkeit – die charakteristische Präsenz physischer Phänomene in seinen Bildern. Selbst da, wo die menschliche Figur aus den Bildern verschwindet, beziehen bestimmte Gestaltformen ihre Leiblichkeit aus der Farbsubstanz.
Im Vergleich zu früheren Werken des Künstlers zeigt sich in seinen neuen Bildern eine fortschreitende Konzentration auf wesentliche Elemente und Motive. Direkt aus der Tube gedrückte oder mithilfe von Spritzen auf ungrundierte Leinwandrückseiten applizierte Farbmaterie offenbart die Verwandtschaft mit zeichnerischen Verfahren. Die Beschränkung auf wenige Malmittel erzeugt eine dialektische Korrespondenz widersprüchlicher Materialitäten: fettige Ölfarbe und trocken-staubige schwarze Kohle sowie Rötel. Partiell legen sich ölige Schatten in unregelmäßigen Gloriolen um organisch anmutende Gebilde, erweitert um fächer-, schuppen- und mäanderartige Strukturen und Linien, schriftzeichenähnliche Kürzel und Schraffuren. Andere Bilder zeigen ganze Figuren, ergänzt durch eine Fülle an Ornamenten, umschlossen von behausungsartigen Einfassungen. Letztere bilden Begrenzungen von Pseudo-Räumen, die nicht zuletzt dazu dienen, unruhige, ausufernde Momente in Zaum zu halten und zu verdichten. Sämtliche Elemente fügen sich bei Tsioris zu einem fiktiven Zeichenalphabet archaischen Charakters. Ähnlich den figürlichen Momenten, die bisweilen nur noch als Erinnerung in den Werken konserviert sind, entfliehen die Chiffren ihrem Weg auf der Bildoberfläche hin zu einer entzifferbaren Sprache. Die auf diese Weise vom Künstler geschaffenen Kompositionen ließen sich auch als Reduktionen, gebraut aus Extrakten seines eigenen Vokabulars, lesen.
Tsioris’ Plastiken sind das Resultat unmittelbaren Ausdruckswillens. In Wachs geformte Greif- und Beißspuren, die in Aluminium oder Bronze gegossen und teilweise patiniert werden, fügen sich in einem spielerisch additiven Prozess zu vegetabilen, urwüchsigen Objekten. Der Handabdruck und die Anreicherung von flüchtigen zeichnerischen Spuren zu einer Lexik kehren als zentrale Momente auch in den Monotypien des Künstlers wieder. In einem eigens entwickelten Verfahren entstehen unikale Blätter, in die sich palimpsestartig Überbleibsel anderer Kompositionen eingeschrieben haben. In seiner radikalsten Ausprägung überlagern sich bei diesem Prozedere feinste zeichnerische Verästelungen zu einem komprimierten Liniengespinst. Mit wortwörtlichem „Nachdruck“ der Hand zeugen diese Papierarbeiten paradigmatisch von der Rückführbarkeit auf ihren eigenen Ursprung aus der spontanen Zeichensetzung.
Alexi Tsioris (*1982 in Athen) lebt und arbeitet in München. 2002–2008 Studium an der Akademie der Bildenden Künste, München, Meisterschüler bei Nikolaus Gerhart; 2009 DAAD Stipendium, Tokio; 2011 Kunstpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München; 2019 Bayerischer Kunstförderpreis, Bildende Kunst. Ausgewählte Ausstellungen: 2022 & 2020 Livie Fine Art, Zürich (s); 2022 Encounter & Richeldis Fine Art, London (s); 2021 Arnoldi-Livie, München (s); 2020 BBK, Galerie der Künstler, München; 2019 Jahn und Jahn, München (s); 2018 Kunstpavillon Alter Botanischer Garten, München (s); 2018 Artothek & Bildersaal, München (s); 2017 Galerie Jahn Baaderstrasse, München (s); 2017 Salon International Des Arts Festival De Bobanisme, Paris; 2015, 2009 & 2006 Galerie Christine Mayer, München (s); 2015 Kunstpavillion, Innsbruck; 2015 Kunstarkaden, München; 2015 Rathausgalerie, München; 2014 Klosterkirche, Traunstein (s); 2014 V8 Plattform, Karlsruhe; 2013 Galerie Weltraum, München (s); 2013 Kunstverein, Weiden; 2012 Akademie der Schönen Künste, Residenz, München (s); 2009 Biennale, Istanbul; 2009 Kunstverein, München; 2006 Golden Pudel Club, Hamburg. (s… Solo)