Pauline Beaudemonts Arbeiten haben einen Soundtrack. Ich höre “Mourir sur scène” von Dalida. Echter, verblassend südländischer Glamour, wallende Arme zum Bersten gefüllt mit rötlich-orangen Pailletten. “Canto a Lloret” von Milva, eine Ode an Mittelmeer-Nächte voll klebriger Winde und weicher Zungen. “Sei nell’Anima” von Gianna Nannini. Heißer Beton, Gitarren, Tränen auf einem Motorino. Warum? Vielleicht, weil die Kulisse, vor der die Genese dieser Ausstellung zustande kam, Rom ist, Roma Roma Roma wie die Fans der lokalen Fußballmannschaft mit feuchten Augen singen, eine Stadt, in der sowohl fiktive wie echte Frauen, mit opulenten Haaren und noch opulenteren Charakteren, den männlichen Blick genauso herausgefordert wie erfüllt haben. Man möge sich an Monica Vitti, Sophia Loren, Sabrina Ferilli, Anita Ekberg, Giovanna Mezzogiorno erinnern. Körperlichkeit durchdringt diese Show, es ist die eines direkten Ganges durch einen belebten Markt, die Physiognomie einer starken Hand, eine reife Feige abtastend, während die rasche Beinbewegung, glitzernd vom Staub der Piazza, einem das komödiantische Drama der Existenz vorführt. Auch Gewalt ist präsent, getarnt als Poesie, als bloßes Accessoire einer erfolgreichen Erzählung, eine körperliche Gewalt, die gezielt Gliedmaße und Wörter verdreht, um Leser, Zuhörer, Zuschauer zu befriedigen. Aber durch Stärke und Esprit der Künstlerin opponiert, beginnt sie zu zittern, diese allgegenwärtige, groteske Brutalität, wie eine panisch gewordene Maus, endet als Gefangene der Schwäche ihrer eigenen, widerwärtigen Triebe. Die nach Aufmerksamkeit suchenden Jungs, die selber von ihren aufgezwirbelten Fettanhängseln und selbstzufriedenen Fratzen amüsiert sind, merken noch nicht, dass ihr Versteck aufgeflogen ist. Beaudemont hingegen schüttelt ihr langes Haar, streckt eine Oppenheim’sche Faust empor, springt auf ein Piaggio und zieht weiter, um die nächsten Widersprüche aufzudecken. Ich stelle mir die zu Anfangs genannten Frauen bei der Eröffnung von Macchia Aperta vor. Vielleicht würden sie sich erinnert fühlen an ihren narrativen Glanz, an ihre trügerischen Spiele, die sie überaus geschickt spielten, während sie geduldig das verborgene Feuer der leidenschaftlichen Guerillakämpfer nähren. Die Glut des Eisens; die Spannung des Marmors; die Schludrigkeit pinker Akrylfarbe auf einer Leinwand.
Vielleicht würde die Energie, die jede einzelne, knorrige Linie in dieser Ausstellung transportiert, eine Reihe von Erinnerungen auslösen, voller wunderbarem Gelächter und hypnotischen Gerüchen. Vitti würde Ferilli ein Glas Wein reichen und Beaudemont würde sich zu ihnen gesellen, weil sie perfekt dazupasst, inmitten dieser Ikonen; sie würden besprechen, wo die besten spaghetti cacio e pepe zu finden sind, wie schrecklich die Verkehrslage auf der Ostiense ist, und welche Rolle Artemis Fontana - die Mysteriöseste aller Teilnehmerinnen an diesem Projekt - eigentlich zukommt. Über Artemis Fontana sollten Sie wissen, dass sie in geheimnisvoller, kaum fassbarer Weise an der Ausstellung beteiligt ist. Ihr Namen vermag in Ihrer Vorstellungskraft Typen, Archetypen und Stereotypen weiblicher Künstlerinnen beschwören, Bilder mit denen unser Geist vorbelastet ist; sie ist aber die schlaue Nymphe, deren flüchtige Berührung sich durch Jahn und Jahn schlängelt wie eine Kette naturwilder Perlen, und sie ist der Künstlerin und Kunstwerke sowohl Vertraute, Jurorin, Coach. Zum entrückten Geräusch klingender Gläser, flüchtiger Küsse und ausgehauchten Atems, zelebrieren Beaudemonts Arbeiten das Barocke der Bewegung, ebenso sehr wie sie die Bildhaftigkeit des Statismus zur Geltung bringen. Sie tanzen, sie sprechen, sie lachen, weinen, posieren, schreien, gehen über sich selbst hinaus, über die Finesse der Malerei, Skuptur, Performance, und gleichzeitig umschließen sie sie großzügig, mit einer warmen, weichen Umarmung. Macchia Aperta kanalisiert die Vitalität von Formen und Materialien, die ihre eigene Langeweile des eindimensionalen Informationsgehalts überwunden haben. Die Arbeiten sind, bis zu einem gewissen Grad, verhüllt und vermitteln Authentizität durch Fabelhaftigkeit; sie verströmen die - jedes Mal wider - überraschende Glaubhaftigkeit von Traumlandschaften und die Kraft von Theoremen, die schon durchgedacht, aber noch nicht aufgeklärt sind; sie erforschen die wirklich faszinierenden Territorien. Um Milva zu zitieren:
E mi voltai come in un sogno e mai più mi svegliai
Text: Karim Crippa